Kürzlich durften wir mit dem Hamburger Format TIDE.TV eine Talkrunde (hier ansehen) gestalten, an der unter anderen Christoph Busch vom Zuhör-Kiosk teilnahm. Nach dem Dreh hatte Christoph noch ein paar weiterführende Gedanken, die er mit uns teilen wollte.
Wie wollen wir über Einsamkeit sprechen, und wie nicht? Wie wird Einsamkeit in den Medien dargestellt? Was ist der Anspruch von uns als Akteur*innen, die das Thema nach vorn bringen wollen?
Christoph hat uns erlaubt, seine persönliche Antwort auf diese Fragen zu veröffentlichen.
Liebe Hanna,
herzlichen Dank für die Fotos und die interessante Runde!
Sie hat mir geholfen, meine Irritation wegen der inflationären, gerade auch medialen Verwendung des Begriffs „Einsamkeit“ besser zu verstehen.
Zum Ende des Gesprächs hieß es: „Wir müssen die Einsamkeit nach vorn bringen.“
Meine Antwort darauf ist mir, wie es mensch oft geht, erst eingefallen, als ich wieder zuhause war.
Einsamkeit ist ein subjektives Gefühl und kein Fakt, eine Folge und keine sachliche Ursache. „Einsamkeit“ vernebelt die Ursachen.
Einsamkeit ist ein ambivalenter Begriff. Er umfasst die selbstgewählte und erholsame Einsamkeit, aber auch die unfreiwillige Vereinzelung und gesellschaftliche Isolation.
Daher ist „Einsamkeit“ ein zweideutiger Begriff. Diese Unschärfe befördert die Angst, die mit dem Gefühl von negativer Einsamkeit verbunden ist.
Der schwabbelige Angstanteil ist der Grund, warum der Begriff Einsamkeit so begeistert von den Medien aufgegriffen wird: Angst verkauft sich gut.
Je vager, desto besser. Besser noch als Sex und mit schlimmeren Folgen: Angst akkumuliert sich und wird Grundstimmung.
Darum nutzen kommerzielle Medien jede Gelegenheit, Umsatz durch Angst zu erzeugen: Der Schock im Heizungskeller! Kann dieses oder jenes Unglück auch bei uns passieren? Alles ist gleich ein Tsunami!
Wir aber wollen aufklären und ermutigen, Eigeninitiative fördern, damit Gemeinsamkeit entsteht. Gut, dass Ihr die im Namen habt. Gemeinsamkeit ist ein Wunsch, den viele Menschen teilen. Weil er lebenswichtig ist. Das lässt sich schon daran ablesen, dass Werbung uns damit einfangen will. Ein bekannter Versicherungsanbieter verspricht uns gerade: „Du bist nicht allein“. Komm (mit Deinen Daten) in den so-und-so-Club. Wir sollen uns unbedingt in diese oder jene (Produkt-)Familie einreihen. „Sei dabei!“ Es wimmelt nur so von Gemeinschafts-Surrogaten.
Wir aber wollen Gemeinschaften selbstbestimmter Individuen.
Oder ganz schlicht – Menschen, die sich zusammenfinden, um „Mensch ärgere dich nicht“ zu spielen.
Wir sollten nicht die „Einsamkeit“ nach vorne bringen.
Wir dürfen nicht mit Angst arbeiten.
Die haben die Menschen sowieso, gerade die Einsamen.
Mut und Hoffnung nach vorne! „Einfach mal machen!“
Auch wenn sich unser Anliegen mit Einsamkeit- und Angstverpackung leichter medial „verkaufen“ lässt.
Uns geht es nicht um Marketing, Money und Quantität, sondern um selbstbestimmte Menschen.
Und Selbstbestimmung ist nicht käuflich wie ein T-Shirt mit „Just do it“. Wir haben es schwerer.
Aber die Selbstbestimmten und wir haben lebenslänglich was davon.
Herzlichen Dank und Gruß,
Christoph
Danke für deine Gedanken und deine Meinung, lieber Christoph!